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10 November 2010

Einfach nur hauen? Ein Interview über Pauken, Felle und Dirigenten

by Philharmonie Luxemburg

Didier: Herr Rhoten, Sie sind „Principal Timpani“ beim New York Philharmonic. Wie wird man überhaupt Paukist?

Markus Rhoten: Viel üben! (lacht) ... Ich bin in eine  musikalischen Familie geboren. Mein Vater war Solo-Trompeter beim Norddeutschen Rundfunk (Orchester) und meine Mutter ist Pianistin. Dadurch hatte ich immer Kontakt zu Orchestern und zur klassischen Musik . Als kleiner Junge wollte ich (...)auf den Töpfen rumhauen und mit 5 kam dann der Wunsch Schlagzeug zu spielen. Die Lust Pauke zu spielen kam, als ich mit 13 den „Sacre du printemps“  gehört habe – mein Vater hatte mich damals im Orchestergraben zwischen die zwei Pauken gesetzt. Das war ein unglaubliches Erlebnis, denn es ist ein wahnsinnig paukenintensives Stück. Ab diesem Moment, war es um mich geschehen.

D: Gab es denn nie den Wunsch eher in Richtung Rockband zu gehen?

M.R.: Nein, eigentlich nicht. Der Drang klassische Musik zu spielen war immer grösser!

D: Welche Rolle spielt der Paukist in einem Orchester? Dem Publikum kommt er ja manchmal eher ein wenig allein und veloren vor, so weit hinten auf der Bühne.

M.R.:  Die Pauke verbindet alle Instrumente vom Timing her. Meine Position, meistens in der Mitte sitzend, gegenüber vom Dirigenten, bildet eine Art Rückgrat des Orchesters,  eine Verbindung  vomDirigenten, über die erste Oboe bis zur Pauke.  Das Instrument verbindet zwei Welten, sowohl die melodische wie auch die rythmische.

D: Pauke zu spielen ist also wesentlich komplexer als der Laie sich das vielleicht vorstellt?

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D: Sie haben schon unter der Leitung von vielen grossen Dirigenten gespielt (Maazel, Jansons, Muti, Gergiev, u.a.). Wieso ist ein Dirigent so wichtig für ein Orchester? Was macht einen guten Dirigenten aus?

M.R.:  Ein guter Dirigent ist jemand, der es schafft uns zu inspirieren, ein Stück das wir tausend Mal gespielt haben, neu zu erleben und neu zu interpretieren. Die Noten kann jeder spielen, aber der Dirigent wird es schaffen, nicht nur die Balance sondern das Ensemble zusammenzubekommen, in den Musikern  eine Leidenschaft hervorzurufen, dass alle einfach völlig in der Musik drin sind und ihr Bestes geben möchten.

D: Nun ist die Art des Dirigierens von Dirigent zu Dirigent anders. Lorin Maazel leitet mit sehr wenigen Gesten, Alan Gilbert mit viel mehr Bewegung. Wie kann man sich als Laie diesen Unterschied für die Musiker vorstellen?

M.R.: Es ist schwer die zwei zu vergleichen, weil sie sehr unterschiedlich sind.  Wenn man merkt, dass der Dirigent wahnsinnig involviert ist, spornt einen das natürlich an. Maazel (hat das Orchester bis September 2009 geleitet) war technisch wahnsinnig gut,  und hat alles „zusammenbekommen“. Alan (Gilbert) ist ein emotionaler Dirigent, der es aber gleichzeitig schafft,  die Technik so sauber zu behalten, dass man einfach kein Problem hat mit im zusammenzuspielen.

D: Könnte ein Orchester ohne Dirigent spielen?

M.R.:  Ehm ja... nein, nicht wirklich! (lacht)  Es wäre möglich, nur gibt es manche Übergänge, bei denen man jemanden haben muss, nach dem man sich richten kann. Wenn nicht ein Dirigent, dann der Konzertmeister. Aber ich denke, dass die Interpretation ohne Dirigent kein Profil hätte, da das Orchester aus  120 Individualisten besteht.

D: Sie waren jetzt mit dem Orchester auf Tournee (vom 24.10 – 04.11) und haben verschiedene Konzertsäle und verschiedene Publikas gesehen. Merkt man einen deutlichen Unterschied von Ort zu Ort und von Land zu Land?

M.R.: Oh ja! Klar! Die Säle machen einen grossen Unterschied aus. Ich höre beim ersten Schlag, ob ein Saal eine sehr trockene Akkustik oder aber sehr viel Nachhall hat. Vom Publikum her, merkt man den Unterschied beim Applaus oder ob die Leute sehr leise sind. In New York herrscht zum Beispiel immer sehr viel Lärm während wir spielen, aber dafür applaudiert das Publikum euphorischer. Der Saal hier in der Philharmonie gefällt mir sehr gut. Ich höre mich selber sehr deutlich, aber genauso deutlich auch die anderen Musiker. Es blendet ?? sehr gut, ich finde es klingt schön.

D: Wie wichtig ist das Publikum für ein Orchester?

M.R.:  Je länger die Tour ist, desto wichtiger wird das Publikum, denn man spielt ein Stück mehrmals und man versucht immer wieder sein bestes zu geben. Man wird aber durch die Repetition einfach müde.  . Wenn man dann jedoch merkt, dass das Publikum begeistert oder involviert ist, dann spornt das einen ungemein an.

D: Was hört ein klassischer Musiker in seiner Freizeit? Nur Klassik oder gibt es auch andere Musikrichtungen auf dem iPod?

M.R.: Ich liebe Rythmus sehr. Mir gefällt daher elektronische Musik , weil sie einen Beat, einen Drive hat, der mich anspornt. House und Technomusik mag ich sehr!

D: Es ist jetzt kurz nach 20 Uhr (das Interview wurde am 4.11 während dem ersten Teil des Konzertes geführt. ), Sie werden gleich auf die Bühne gehen und unterhalten sich jetzt aber noch ganz entspannt  mit mir. Haben Sie denn kein Lampenfieber mehr?

M.R.: (Schmunzelt) Nach einer gewissen Zeit, nicht mehr so viel. Man gewöhnt sich daran. Es gibt aber Momente, in denen  es schwieriger ist, sich zu konzentrieren.  Mit der Zeit muss man lernen – und das fängt schon bei den Probespielen an – die Nervosität in Aufregung umzuwandeln, es ins Positive zu drehen, so dass man aus sich herausgeht und mehr Leistung bringen kann.