Und nun ein richtiger Krimi!

Frisch auf dem Schreibtisch landet heute die aktuelle Ausgabe der Musikzeitschrift Positionen – und überrascht mit gleich fünf großen Fotos des «Konzerts mit Untertiteln» bei den rainy days 2011. Es ist selten, dass ein Orchesterkonzert als dermaßen fotogen wahrgenommen wird – aber den außergewöhnlichen OPL-Abend vom 26.11.2011 haben nun schon zwei der renommiertesten deutschen Neue-Musik-Zeitschriften visuell in den Mittelpunkt gerückt: Vor zwei Wochen brachte der Schott Verlag die Neue Zeitschrift für Musik (von Robert Schumann 1834 gegründet!) zum ersten Mal auch als ePaper heraus – und auch hier werden am Rande der ausführlichen Besprechung des Festivals in der Philharmonie zwei Video-Ausschnitte desselben Konzerts zum Anschauen präsentiert.

Die beiden Dokumentations-Videos der Philharmonie sind zwar ganz einfach nur mit fester Kameraposition vom Regiepult in der Saalmitte aus gefilmt – aber trotzdem nicht unspektakulär: Wie bei Peter Ablingers Stück Wachstum, Massenmord die «Klangsprache» des Orchesters und der Text des Videos (von dem ein kurzes «Making of» auf Peter Ablingers Website zu sehen ist) zusammenhängen, versteht man in der Online-Version vielleicht sogar schneller als bei der Uraufführung mit der 12 Meter breiten Leinwand im Grand Auditorium. Aufgrund des prominenten Feedbacks hier nun zum Anschauen:

«Und nun ein richtiger Krimi»

Der starke Eindruck, den viele Konzertbesucher von Clemens Gadenstätters Stück Fluchten/Agorasonie für Solisten, Orchester und Raum live bei den rainy days im Saal hatten – «Eine Musik, die lebt» (Loll Weber, Luxemburger Wort, 28.11.2011) und «Musik, die buchstäblich unter die Haut geht» (Martin Möller, Trierischer Volksfreund, 28.11.2011) – ist auch auf dem Mini-Bildschirm noch zu erahnen, auch wenn die raffinierten, subtilen Raumklang- und Hall-Effekte hier naturgemäß wegfallen. Hier der Anfang des gut 20 Minuten langen Stücks, dessen einzelne Kapitel dem Ablauf einer fiktiven Fernsehkrimi-Story folgen, deren «Handlung» sich aber ausschließlich in den Klängen ereignet.  Zu hören und zu sehen sind die Abschnitte «Staircase» (Im Treppenhaus), «The Apartment» (in der Wohnung), «Attack» (Angriff) und «Fuga I» (Flucht); die Untertitel helfen dabei, die im Verlauf der «Handlung» vorkommenden Klänge zu entdecken und seinen eigenen «Film im Kopf» zusammenzusetzen.

Um zu hören, wie die Musiker des Orchestre Philharmonique du Luxembourg und die sechs Solisten unter der Leitung von Peter Rundel Schritte im Treppenhaus oder eine Verfolgungsjagd spielen – Kopfhörer aufsetzen und Lautstärke aufdrehen. Und vielleicht gleich schon einmal das Datum des OPL-Konzerts zur Eröffnung des nächsten rainy days Festivals vormerken: Am 24.11.2012 wird es zwar keine Untertitel geben, aber garantiert wieder viel Überraschendes zu hören – und zu sehen.

Bernhard Günther